Das Ende des Internets? Eine Reaktion

LESERBRIEF | Deutschlandfunk Kultur
zum Gastkommentar

Zeitenwende
Das Ende des Internets, wie wir es kennen
Wikileaks, Piratenpartei und die wilden Onlinejahre sind vorbei. Stattdessen diskutieren wir über Upload Filter und die Datenschutzgrundverordnung. Dafür gebe es gute Gründe, aber die Regulierung habe auch ihren Preis, meint der Informatiker Enno Park.

https://www.deutschlandfunkkultur.de/zeitenwende-das-ende-des-internets-wie-wir-es-kennen.1005.de.html?dram:article_id=421563

Köln, 29.06.2018

Sehr geehrte Damen und Herren,

bezugnehmend auf o.a. Artikel möchte ich meiner Verwunderung Ausdruck verleihen. 

Ganz offensichtlich fügt dieser Text der Debatte nicht einen einzigen neuen Aspekt hinzu. Er beleuchtet nichts aus einer anderen Perspektive. Und er bildet unwahre Behauptungen ab, die ersichtlich mehr oder weniger im Wortlaut aus den sattsam bekannten Kampagnentexten zum Thema stammen. Das Ganze reichweitenwirksam mit einer dystopischen Headline versehen: Das ist beschämend, auch wenn Sie mir nun entgegnen werden, es handele sich hier ja um eine namentlich kenntlich gemachte Einzelmeinung. 

Es mag Ihnen nicht bewusst sein, aber bei diesem Richtlinienentwurf geht es ums Urheberrecht – und mithin um die legitimen Rechte der Urheber*innen.
Mit dem Richtlinienentwurf sollen die Schöpfer der Werke, auf deren Verwertung sämtliche Infrastrukturen im Netz aufgebaut sind, darunter die Plattformen wie YouTube etc., erstmals einen einklagbaren Anspruch auf „angemessene“ Beteiligung an der Erlösen der Verwertung erhalten. Den Plattformen wird eine Verantwortung für die Nutzung der Inhalte zugewiesen, die die Verpflichtung zur Lizenzierung und Vergütung enthält. 

Sie können dieser Verpflichtung auf zwei Arten nachkommen: Entweder ergreifen sie „angemessene und verhältnismäßige“ Maßnahmen, die es erlauben festzustellen, ob überhaupt eine Lizenz vorliegt. Wenn nämlich keine Lizenz vorliegt, darf das entsprechende Werk auch nicht durch die Plattform monetarisiert werden.

Oder sie lizenzieren selbst umfassend pauschal bei den staatlich legitimierten Verwertungsgesellschaften. Damit wären zugleich unverzichtbare Einzellizenzen wie das sog. „Filmherstellungsrecht“ verbunden, ein Recht, das zwingend erworben werden muss, will man irgendeine Musik mit irgendeinem Bild synchronisieren.

Letzteres ist ein erprobtes System – beispielsweise in Ihrem Hause. Mit einer solchen Regelung wäre für die Rechteinhaber eine Vergütung im Nutzungsfalle und für die Werknutzer Rechtssicherheit gewährleistet.

Diese Prüfpflichten sollen im Übrigen nur größeren Plattformen auferlegt werden, während einer der lautesten Ankläger, die Wikimedia, laut Artikel 2 sogar explizit davon ausgenommen sein soll.

Das müssen Sie sicherlich nicht alles im Detail wissen und verstehen, doch scheint mir, es wäre die Aufgabe einer öffentlich-rechtlichen Redaktion, keine tendenziösen, verkürzenden und schlechterdings falsch informierten Meinungen zu befördern.

Wenn Herr Park kurzerhand erklärt, es habe im Netz nie einen rechtsfreien Raum gegeben – und dabei auch noch in Richtung Abmahnungen (welche sich in der kritisierten Form immer an Privatpersonen richteten, was hier ja gerade vermieden werden soll) verweist, dann belegt das einfach nur, dass er sich eben nicht – wie im Text behauptet – „ernsthaft damit beschäftigt“ hat.
Hätte er das getan, dann wüsste er um die Drastik der fast vollständigen faktischen Enteignung der gesamten Musikbranche – einschließlich unendlich vieler Einzelkünstler*innen, deren Namen niemand kennt – durch YouTube. Dann wüsste er um die dramatischen Effekte der Piraterie für die Filmwelt und den Gamesmarkt. Er wüsste einzuschätzen, dass Schauspieler*innen, Drehbuchautor*innen, Regisseur*innen oft mit Fassungslosigkeit davon berichten, in welchem Umfang ihre Arbeit online verwertet, d.h. zu Geld gemacht wird, während sie von dem erwirtschafteten Geld nicht einen Cent erhalten. Von Fotograf*innen ganz zu schweigen.

Dabei sind Urheber*innen und Interpret*innen zu wesentlichen Teilen auf Nutzungsvergütungen angewiesen, um von ihrer Arbeit leben zu können.

Wir haben es mit einer längst und umfassend empirisch belegten systematischen Schieflage zu tun, mit einer Regelungslücke, deren Effekte als „Value Gap“ (Wertschöpfungslücke) bezeichnet werden. Diese Regelungslücke erlaubt es den Plattformbetreibern, sich auf die Position eines Festplattenvermieters zurückzuziehen: „Was haben wir denn mit den Inhalten zu tun?!“

Hier geht es ganz konkret um die kleinsten, schwächsten Einheiten dieses Marktes, allen voran die Urheber*innen und Interpret*innen der auf den Plattformen massenhaft vorhandenen Musik, denen allmählich die Luft zum Atmen ausgeht.

Es ist geradezu zynisch, das nicht zur Kenntnis zu nehmen in einem Text über gerade dieses Regulierungsvorhaben.
Es ist weder volkswirtschaftlich noch kulturell sinnvoll, davor die Augen zu verschließen. Denn wir haben es hier mit Hunderttausenden Betroffener zu tun, deren Werke genutzt werden, die dafür aber nicht vergütet werden.

Nun steht das Wort UPLOADFILTER im Raum – und damit das Ende des Internets.
Hier wäre Herr Park gut beraten gewesen, sich ein wenig zu informieren – über
– das Regulierungsvorhaben (s.o.)
– die gängigen Gepflogenheiten im derzeitigen Netz.

Denn dies ist VOLL von Uploadfiltern. Nur: Niemand merkt’s. Weil es das Netz eben nicht zerstört, sondern funktional macht.
Wie, glauben Sie, wird gewährleistet, dass auf YouTube und Facebook keine Brustwarzen zu sehen sind? Algorithmen.
Und warum ist das so? YouTube gehört … nun, YouTube. Aber eben nicht uns.

Die Plattformen sind privatwirtschaftlicher Raum; niemand von uns hat irgendeinen Anspruch darauf, an diesen digitalen Orten irgendetwas tun zu dürfen. Es gilt dort das Hausrecht, es gelten die „Community Standards“ des Inhabers. Wir sprechen hier nicht von einem öffentlichen Marktplatz. Umso idiotischer ist die Rede von „Zensur“. 

Zensur ist als staatlicher Eingriff definiert, hier aber wird ganz explizit einem privatwirtschaftlichen Unternehmen eine Haftung bzw. Verantwortung inkl. eigenverantwortlicher Prüfpflicht auferlegt. Wenn man dann noch berücksichtigt, wie konkret die Grenzen möglicher Filtersysteme im Richtlinienentwurfstext niedergelegt werden, dann bleibt nur noch ein Fazit: Unsinn.  

Um zum Schluss ein paar weitere Irrtümer aufzuklären:
Framing für Presseartikel bleibt erlaubt und man darf getrost auch weiterhin Texte verlinken.
Wikipedia ist von der Filterpflicht ausgenommen.
Eingriffe in Grundrechte – und die Meinungsfreiheit ist fraglos eine besonders wesentliche darunter – sind laut Richtlinie ausgeschlossen.
Schrankenregelungen bleiben von der Richtlinie unberührt. Man darf also auch weiter zitieren und parodieren. Ob das immer fehlerfrei funktionieren wird, bleibt abzuwarten. Das ist aber auch bei Softwareimplementierungen nicht anders, die Herr Park sinnvoll findet. 

Im Übrigen wird in der Richtlinie auf die Notwendigkeit der Einrichtung und Erreichbarkeit von Schiedsstellen und Gerichten verwiesen.

„Das offene Internet wie wir es kennen“, Herr Park, ist eine nostalgische Illusion. Das ist angesichts von Trump und AfD, Hate Speech und Fake News, Kindeporno- und Enthauptungsvideos, Steuerflucht und Cybercrime, Datenmissbrauch und privatwirtschaftlicher Big Data-Komplettüberwachung ganz offensichtlich. Dieses Netz hat seine Unschuld schon vor langer Zeit verloren.
Das Internet der Gegenwart ist eine zutiefst korporatistische Angelegenheit, die jenseits nationaler Grenzen und damit jenseits der Rechtsräume die Regeln unseres Zusammenlebens, unserer Arbeit und Kommunikation, die Narrative über unser Gemeinwohl („don’t be evil!„) in eine überwiegend renditeorientierte Alleinherrschaft verschiebt. Winner takes all … Ich nenne das Digitalen Feudalismus. 

Wer sich aus nostalgischer Verbohrheit gegen Regulierung im Sinne des Gemeinwohls wehrt, der macht sich schuldig.

Wer jetzt, in Unkenntnis des konkreten Regelungsgehalts, diffuse Ängste schürt und eine zukunftsweisende, vielfaltssichernde und dabei verhältnismäßige Regulierung des digitalen Raums verhindert, der verkennt, dass die Regeln, die das EU-Parlament im Sinne der Rechtssicherheit aller Beteiligter vereinheitlichen will, längst, Schritt für Schritt, von Gerichten europaweit durchgesetzt werden – als Stückwerk. Die nächste Chance für eine gesamteuropäische Lösung dürfte frühestens in zwei Jahren möglich werden. Die einzigen, die von einem solchen Aufschub profitieren, werden die Plattformen sein, die ggf. zwei weitere Jahre lang ihr Geld mit den Leistungen der Kulturschaffenden erwirtschaften können. Für lau. 

Tolle Freiheitskämpfer: Kämpfer für Vergütungsfreiheit.

#vote4jurireport
#stopdigitalfeudslism
#makeinternetfair
#ValueGap
#TransferOfValue

interviews, texte, snippets [netzfunde / wird unregelmäßig ergänzt]

Interview mit der GEMA  (2014?)


Daten, Werke, Spielregeln @ SoundTrack_Cologne 13, August 2015
Co-Mod. RA Stephan Benn
TEIL 1
   mit
   Volker Rieck (filedefense),
   Viola Hagen-Becker (Datenschutzbeauftragte LfM NRW),
   Markus Sabadello (Danubetech)
TEIL 2
   mit
   RA Frank Höfinger (Lausen Anwälte)


Impulsreferat und Diskussion zum Urheberrecht auf der Mitgliederversammlung der DEGEM am 13.10.2013 in Hannover
    mit: Johannes Zmöllnig, Programmierer und Musiker (PD, IEM Graz) Matthias Hornschuh, Medienkomponist (mediamusic e.V., Köln) m.eik Michalke, Mitbegründer von C3S, Boris Baltschun, Musiker und Künstler Gesprächsleitung: Joachim Heintz (Vorsitzender der DEGEM)
Die Gesprächsaufzeichung ist leider nicht ganz vollständig, gibt aber die Impulsreferate und den größten Teil der Diskussion wieder.


BR Denkzeit 2015-07-18: filmtonart–Kampf ums Urheberrecht
Soll das Angebot im Internet grenzenlos sein? „Ja“, sagen die User und verlangen „weg mit dem Geoblocking“. Tatsächlich berät die EU-Kommission über eine bedingte Abschaffung des Geoblocking zur Förderung eines gemeinsamen Digitalmarktes. Wie kann unser Urheberrecht dennoch europagerecht reformiert werden?
Über die brisante Rolle des Geoblocking im Urheberrecht diskutieren namhafte Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Recht und natürlich der Musikbranche:
– Klaus Doldinger: Musiker, Filmkomponist
– Birgit Kolkmann: Moderatorin und Autorin, Deutschlandradio
– Matthias Hornschuh: Komponist, Publizist, Kultur- und Medienpolitiker
– Prof. Dr. Gerhard Pfennig: Rechtsanwalt und Sprecher der Initiative Urheberrecht
– Prof. Dr. Ansgar Ohly: Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Ludwig-Maximilians-Universität München
– Julia Reda: Abgeordnete der Piratenpartei im Europäischen Parlament
– Martin Moskowicz: Filmproduzent
Eine Veranstaltung von BR filmtonart vom 26. Juni 2015, Redaktion: Birgit Engel


 

Ämterhäufung | CV

Im Rahmen der GEMA Mitgliederversammlung 2018 bin ich als Vertreter der Komponistenkurie in den Aufsichtsrat gewählt worden. Inwieweit das Amt vergnügungssteuerpflichtig ist, wird herauszufinden sein – aber jetzt freue ich mich erstmal auf die Aufgabe und die Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen.
Erster Ertrag für mich: ein neues Pressefoto, das der GEMA-Fotograf Sebastian Linder gemacht hat.

Vielleicht der passende Moment, um meine aktuellen politischen Ämter anzuzeigen. Transparenz, und so. Voilà:

MATTHIAS HORNSCHUH (Mai 2018)

Matthias Hornschuh lebt und arbeitet als Komponist für Film, TV und Radio in Köln.

Er komponiert für Medien- und Theaterproduktionen, stattet Freizeitparks mit Musik aus, schreibt und produziert Songs und befasst sich als Autor, Regisseur und freier Produzent mit Akustischer Kunst, Fußballbewegungsforschung und Projekten der Kulturvermittlung.
Der studierte Musiker (Violine) und Musikwissenschaftler unterrichtet regelmäßig an verschiedenen Hochschulen und lotet mit seinen Essays den Grenzbereich zwischen Wissenschaft und Praxis aus.

* Gründer und Vorsitzender des Berufsverbands mediamusic e.V. (2004),
* Mitbegründer und Programmleiter SoundTrack_Cologne (2004 bis Januar 2018),
* Vorstandsmitglied Kulturrat NRW,
* stv. Präsidiumsmitglied Landesmusikrat NRW,
* stv. Leiter der AG „Musik in Beruf und Medien“ im Landesmusikrat NRW,
* stv. Mitglied der Landesmedienkommssion NRW,
* 2010 bis 2015 Jurymitglied Deutscher Hörbuchpreis,
* Mitglied im Fachausschuss Urheberrecht des Deutschen Kulturrats,
* Delegierter in der Initiative Urheberrecht,
* Mitglied CREATIVE.Board (Beirat Creative.NRW).
* Seit Mai 2018 Mitglied des GEMA-Aufsichtsrats als Vertreter der Komponisten. 

* Intensive Tätigkeit als Moderator, Kurator, Speaker, Dozent und Impulsgeber auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene. 
* Filme und Hörspiele mit Hornschuh-Musik waren auf fast allen großen internationalen Festivals zu hören und haben rund 100 Auszeichnungen erhalten.
* Träger des Europäischen Förderpreises der GEMA Stiftung, AKM, Fondation SUISA und SACEM 2004, gemeinsam mit Andreas Hanten (geb. Hornschuh).

Referenzen 
Film & TV (Auswahl): KLOSTERKÜCHE (D 2018), LISA SCHWIMMT SICH FREI (D 2015), DIE STAATSAFFÄRE (D 2014), THE ROAD TO ALEPPO (D/SY 2014), IRONCLAD: BATTLE FOR BLOOD (USA/GB/D 2013), ABSEITSFALLE (D 2012), KOMEDA: A SOUNDTRACK FOR A LIFE (D/PL 2009), JEDEM DAS SEINE (D 2009), STOLPERSTEIN (D 2008), DELIVERY (D 2005)

Radio (Auswahl): Das Buch der Verwandlungen: Theseus und der Minotaurus (Hörspielmusik 2015), Soundtracks der Seelenschäden: Klänge aus der Traum(a)fabrik (Radiofeature 2013), Mokoena Moving (Hörstück 2010), Wie man unsterblich wird (Hörspielmusik 2009), RadioTatort: Verhandlungssache (Hörspielmusik 2007), RadioTatort: Der Emir (2007), Bielefeld.Jahnplatz (Hörstück 2006)

Diverse (Bild-)Tonträgerveröffentlichungen als Komponist und Musiker.